Diese Zeilen hier zu schreiben schmerzt. Vor allem jetzt, da die meisten Hormone meinen Körper schon verlassen haben und ich objektiver bzw. als ‘wahre’ Mama auf die Situation zurückblicken kann. Es schmerzt, zu begreifen, dass ich diese Gefühle hatte. Schlimme Gefühle meinem Erstgeborenen gegenüber. Einem kleinen unschuldigen Kind, das absolut nichts falsch gemacht hat. Und das alles nur wegen der Hormone. Warum ich denn überhuapt diesen Beitrag verfasse, wenn es doch so weh tut und nicht mehr aktuell ist? Gewiss nicht, um meinen kleinen Großen irgendwie bloß zu stellen. Sondern ganz einfach, weil ich selbst darüber erschrocken war, solche Empfindungen meiner großen Liebe gegenüber überhaupt haben zu können. Ich fühlte mich hilflos, allein und wie der schlechteste Mensch der Welt. In den Stories von Piepmadame fand ich aber ihre Geschichte über die erste Zeit nach der Geburt ihres zweiten Kindes, in der es ihr ähnlich ging wie mir vor kurzem und ich fühlte mich plötzlich nicht mehr so hassenswürdig. Nicht mehr als die schlechteste Mutter der Welt. Und wusste, es würde vorbeigehen und das tat es auch. Und genau aus diesem Grund möchte ich einigen von euch ebenfalls das Gefühl vermitteln, ihr seid nicht allein, indem ich euch meine Geschichte erzähle. Egal, welche Gefühle ihr habt, sie sind ok. Sie gehören in dem Moment zu euch, zu eurer Entwicklung und schlichtweg zu dem Prozess der Hormone. Und man muss nur durchhalten. Gefühle zulassen, sie selbst verstehen und dann auch wieder gehen lassen und nicht daran festhalten.
*Photo by Monika Tambour
Aber beginnen wir doch von Vorne. Wenn die Illusion wie eine Seifenblase platzt.
Ich hatte eine sehr idealisierte und romantische Vorstellung davon, wie das erste Treffen von meinen zwei Kindern ablaufen würde. Ich käme aus dem Krankenhaus und würde mit dem Muck im Wohnzimmer auf den Babyboy warten. Er würde zögernd hineinkommen und voll Liebe und Freude zu seinem kleinen Bruder eilen. Ihn schmachtend und vorsichtig begutachten, ein Strahlen in den Augen haben und von seiner Liebe dem kleinen Wesen gegenüber erzählen. Ich würde die Szene in mich aufsaugen, von Glück, Hoffnung und dem persönlichen Traum beseelt sein und wir würden das perfekte Kennenlernen erfahren. Und dann schlug mir die Realität aka. die Hormone volle Kanone ins Gesicht. Ein Highkick ins Herz, den Bruce Lee nicht hätte besser machen können.
Schuldgefühle olé.
Schon die Geburt, wie ich ja im Geburtsbericht erzählte, war geprägt von Schuldgefühlen und Ängsten und lief überhaupt nicht so ab wie ich es wollte. Und so ging es dann auch mit dem Kennenlernen und dem Wiedersehen des Großen weiter. Es zerriss mich in der Sekunde, in der der kleine Mann durch die Tür trat. Die Schuldgefühle der letzten Tage übermannten mich, die Vermissung war groß und ich hätte ihn am liebsten nicht mehr losgelassen. Der kleine Muck war für den Moment gar nicht mehr präsent für mich. Genau in der gleichen Sekunde allerdings als der Große den Kleinen begutachten wollte, wollte ich nicht, dass er ihn anfasst. Also nicht so richtig. Er war vorsichtig, aber grob. Hatte eben das Gefühl eines Zweieinhalbjährigen und machte absolut nichts falsch. Aber es störte mich. Das Gefühl von Glückseligkeit blieb gänzlich aus. Okay, ich war ko und die Situation war neu für mich. Ich musste mich selbst also noch an alles gewöhnen. Halb so wild. Ruhe bewahren. Durchatmen.
Kann ich mein Kind hassen?
Die nächsten Tage wurden aber nicht besser, ganz und gar nicht. Es wurde immer schlimmer. Der Große fing an mich zu nerven. Mit allem, was er tat. Seine bloße Anwesenheit war zermürbend. Jede Kontaktaufnahme mit dem Kleinsten war zu viel für mich. Ich wollte meine Ruhe mit dem Baby. Exklusive Zeit mit dem kleinen Muck. Der Große war mir zu wild. Zu laut. Zu alles. Ich wurde unfair. Ich schrie ihn an. Schimpfte ihn aus. Packte ihn grob an den Armen. Alles Dinge für die ich mich selbst verachte, weil es Reaktionen waren, die ich mir selbst immer verbot, die nicht nur unangebracht, sondern ganz und gar inakzeptabel sind. Der kleine Große machte absolut nichts falsch, verhielt sich, wie man sich in dem Alter eben verhielt, ja sogar noch ‘besser’ und einfühlsamer und das wusste ich rational betrachtet auch. Doch minütlich platzte mein Geduldsfaden. Ich hatte solche Angst, dass er den kleinen Mann verletzen könnte. Das wiederum verunsicherte den Babyboy vollkommen un das zurecht! Ich war nicht mehr die geduldige und liebe Mama. Ich war eine Furie. Unfair. Bösartig. Einfach genau das, was ich niemals sein wollte. Ich bekomme einen richtigen Kloß im Hals und die Tränen stehen mir gerade in den Augen, weil ich selbst nicht so recht begreifen kann, wie ich nur so fühlen konnte. Ich hasste den Großen regelrecht. Für nichts! Ich war die ersten zwei, drei Wochen einfach nur ekelhaft und das tut mir so unendlich leid! Nach jedem meiner Ausfälle wusste ich, dass ich mich scheisse verhalten hatte. Ich weinte, entschuldigte mich beim Großen und versprach, dass sich das alles bald ändern würde. Ich klang wie der Prototyp eines Schlägers, der seine Frau frisch verprügelt hatte, Reue schwor und drei Stunden später wieder ausholte. Natürlich schlug ich den Babyboy nicht, verpasste ihm aber emotional einige unschöne ‘Schläge’.
Reflektion ist der erste Schritt.
Abends reflektierte ich immer mein Verhalten und schwor, es besser zu machen. Es dauerte aber tatsächlich ein paar Tage bis der Knoten bei mir platzte, doch dann lichtete sich der Hormonnebel allmählich und ich konnte wieder ruhiger werden. Reflektierter an Situationen herangehen. Entspannter mit meinem kleinen zerbrechlichen Wesen umgehen und entsprechend auch den Großen mehr agieren lassen. Ich arbeitete jede Sekunde an mir und von Tag zu Tag gelang es mir immer mehr. Ich band den Mäusemann beim Wickeln und Co. ein. Nahm beide gleichzeitig in den Arm und legte auch dem Großen den Kleinen zum Kuscheln in den Arm. Und es wurde besser. Meine alten Gefühle, die die er verdient hatte und die die wahre Mama in mir zeigten, kamen wieder hervor. Ich fing wieder an stolz auf ihn zu sein. Zu sehen, was für ein prachtvoller und liebenswerter kleiner Junge er ist. Wie toll er das alles als großer Bruder macht. Wie geduldig er wartet, wenn die Mama den Muck eben stillen oder wickeln musste. Und mittlerweile läuft es so, wie ich es mir immer vorgestellt habe.
Exklusivzeiten für beide.
Die Eifersüchteleien, die ich ja regelrecht heranzüchtete, sind (beinahe) völlig weg. Keine Decke mehr wegziehen, kein nächtliches Gezehter, wenn ich nicht sofort kuscheln kann, weil ich gerade stille, sondern nur purer Stolz und Liebe dem kleinen Bruder gegenüber. Ich würde lügen, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich in stresisgen Situationen nicht dennoch laut oder auch mal unfair werden würde. Natürlich passiert es, davon kann ich mich nicht frei machen, aber es hat sich auf ein gesundes Minimum reduziert. Die Hormone sind endlich fast alle ausgespült und ich kann anfangen das Zusammensein zu genießen. Morgens stehen der Babyboy und ich auf, während der Muck mit Papa noch schläft und er bekommt absolute Exklusivzeit. Am Tag teilen sich die Mäuse die Mama und der Große darf beim Kleinen mithelfen, soweit er es kann. Oder der Kleine kommt in die Wippe und schaut uns beim Spielen zu. Abends, wenn der Mäusemann im Bett liegt, hat dann der Kleinste der Familie vollkommene Exklusivzeit. Es ist ein Spagat zwischen dem Erfüllen der Bedürfnisse, aber wir finden gerade unseren Rhythmus. Haben so etwas wie einen Alltag, sofern man den in diesen Zeiten haben kann und werden immer mehr ein Team. Einzig und allein das Draußensein mit beiden Jungs traue ich mich noch nicht so recht und das fehlt mir enorm. Momentan kann ich keine schönen Erlebnisse für den Großen mit der Mama schaffen, jedenfalls nicht unterwegs. Versuche aber sooft es geht, daheim entsprechend schöne Dinge zu machen. Ich freue mich, wenn wir drei gemeinsam draußen Abenteuer erleben und ich wieder die Mama sein kann, die ich so gerne bin. Entspannt, albern, liebevoll und geduldig.
Ihr seid nicht allein und es geht vorbei.
Ich schreibe diese Zeilen nicht, um mich als schlechte Mutter darzustellen, um dem Babyboy später, wenn er das liest, ein schlechtes Gefühl zu vermitteln oder um Mitleid zu erhaschen. Ich schreibe sie, weil auch das Gefühle sind, die dazu gehören KÖNNEN. Sie fühlen sich scheisse an, aber sie sind eben manchmal auch Teil des Prozesses. Und wenn man sich in diesen Momenten alleine fühlt, bricht über einem eine Welt zusammen. Man kommt sich vor, als wäre man die mieseste Mutter der Welt. Schlimmer noch als Medea, die ihrem Ex die eigenen Kinder aus Rache zum Mahl zubereitete. Seid euch sicher, das geht vorbei! Haltet durch, lasst die Gefühle zu, aber reflektiert auch, bespricht es mit den großen Geschwistern. Erklärt euch und versucht es anders zu kanalisieren als an den Geschwisterkindern auszulassen, auch wenn es schwer fällt so manches mal. Ihr schafft das! Ihr macht das toll und es werden wieder andere Zeiten kommen! Ihr seid nicht allein!