[MomLife]: Prävention zur sexualisierten Gewalt. Es sind oft diejenigen, von denen es nicht erwartet wird.

Das hätte ich niemals gedacht. Der? Der macht sowas nicht. Du lügst! Sowas würde sie niemals tun!

Das sind Sätze, die leider noch viel zu häufig fallen, wenn es um sexualisierte Gewalt an unseren Kindern geht. Die Mehrheit von euch und da wette ich alles drauf, hat mehr Angst vor dem Fremden, der in einer Ecke lauert, um Kinder zu klauen, als vor den Menschen im engsten Bereich – Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn, Trainer und Co.
Wir sprechen heute über ein unangenehmes Thema. Ein Thema über das eigentlich gar nicht nachgedacht werden will, weil es so grausam und so surreal ist. Jedenfalls in unserem Kopf. Doch es passiert. Täglich. Minütlich. Direkt vor unseren Augen und oft sind wir zu blind, um es wahrzunehmen. Wir sprechen heute über sexualisierte Gewalt und wie wir uns und unsere Kinder schützen können.

Vorab: Wem dieses Thema nicht gut tut, der sollte jetzt aufhören zu lesen. Achtet auf euch!

Sexualisierte Gewalt. Wie komme ich auf so ein schweres Thema? Zum einen beschäftigt es mich sehr; schon vor den Kids und seit ihrer Geburt natürlich noch einmal mehr. Ich bin feinfühliger, aufmerksamer, ja, auch argwöhnischer geworden. Der Schutz meiner Kinder hat höchste Priorität. Zum anderen gab es vor einigen Wochen allerdings auch eine Fortbildung zur Prävention sexualisierter Gewalt, an der ich teilnehmen durfte und die mir nur bestätigt hat, was mir schon früh klar war: Der ‘Feind’ lauert im unmittelbaren Raum. Ich hoffe, ich finde hier einen roten Faden und fange nicht an, alles wirr durcheinander zu erzählen.

Wen trifft es?

Grundsätzlich kann es absolut jeden treffen. Und niemand, dem es passiert, außer der Täter, ist Schuld daran. Doch muss man auch sagen, dass diejenigen sich als leichter zugänglich im Bereich vertrauen erweisen, deren Bedürfnisse nicht vollständig erfüllt werden und sie die Erfüllung dieser dann bei anderen suchen. Was für Bedürfnisse das sind?

  • Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Kleidung, Schalfen
  • Sicherheitsbedürfnisse: Ordnung, Wohnung, Arbeit
  • Soziale Bedürfnisse: Gruppenzugehörigkeit, Freundschaft, Liebe
  • Ich-Bedürfnisse: Selbstvertrauen, der Wunsch nach Respekt und Anerkennung
  • Selbstverwirklichung: Streben nach Unabhängigkeit, persönliche Weiterentwicklung, Individualität

Werden diese Bedürfnisse von Zuhause nicht erfüllt, stört es die seelische, körperliche und geistige Entwicklung und das gesamte Wohlbefinden sowie die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Kinder brauchen uns Große, um sich altersgerecht zu entwickeln und eben diese Aspekte ausreichend und gesund erfüllt zu bekommen.

Erfahren Kinder also körperliche und geistige Vernachlässigung, Gewalt und Misshandlung oder aber wachsen in einer Atmosphäre von Gewalt auf, wenn beispielsweise ein Elternteil misshandelt wird, kann dies auf vielen Ebenen zu Störungen kommen.

Was ist sexualisierte Gewalt?

Es gibt 3 Formen von sexualisierter Gewalt.

  • Sexualisierte Gewalt: Sexualisierte Gewalt besteht dann, wenn sexuelle Handlungen an oder vor einem Kind vollzogen werden. Aber auch das Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses durch sexuelle Handlungen fällt darunter. Wird eine sexuelle Handlung gegen den Willen oder ohne die Möglichkeit einer Zustimmung (körperliche, psychische, kognitive, sprachliche Unterlegenheit) durchgeführt, ist dies sexualisierte Gewalt.
  • Grenzverletzungen: Grenzverletzungen sind zumeist einmalige oder gelegentliche unangemessene Verhaltensweisen, die oft unbeabsichtigt geschehen. Dies kann durch mangelnde Regelungen oder dem Fehlen persönlicher Reflexion geschehen. Wann eine Grenze überschritten wird, kann sehr individuell wahrgenommen und daher von außen schwer einzuordnen sein. Umso wichtiger ist es, Kindern schon früh zu zeigen, wo ihre Grenzen sind und diese auch einhalten zu lassen. Grenzverletzungen können schon bei tröstenden Umarmungen beginnen, aber auch das Gespräch über das eigene Sexualleben, Weitergabe von eigenen Bildern, Missachtung der Intimsphäre durch zum Beispiel das Umziehen in Sammelumkleiden.
  • Sexuelle Übergriffe: Sexuelle Übergriffe sind ganz klar bewusst und eindeutig in ihrer Handlung. Sie geschehen nicht aus Versehen. Dabei werden Widerstände jeglicher Art übergangen. Dies können das vermehrte scheinbar zufällige Berühren der Brust oder der Genitalien z.B. bei der Pflege oder Sportübungen sein. Aber auch sexistische Bemerkungen oder sexistische Spielanleitungen (Entkleiden) sowie Aufforderungen zu Zärtlichkeiten.

Regelungen der UN-Kinderrechtskonventionen:

Kinder und Jugendliche:

  • haben das Recht auf gleiche Chancen und Behandlung
  • haben das Recht, gesund aufzuwachsen und alles zu bekommen, was sie für eine gute Entwicklung brauchen
  • 3. haben das Recht, das zu lernen, was sie zum Leben brauchen
  • haben das Recht auf Erholung, Freizeit und Ruhe
  • haben das Recht, auf beide Eltern und ein sicheres Zuhause
  • haben das Recht auf eine Privatsphäre und Respekt
  • haben das Recht, ohne gewalt aufzuwachsen
  • haben das Recht, gut betreut und gefördert zu werden
  • die vor Krieg und Gewalt in andere Länder fliehen müssen, haben das Recht auf ganz besonderen SChutz
  • haben das Recht, ihre Meinung sagen zu dürfen.

Folgen für Betroffene:

Grenzverletzungen, Vertrauensbruch, Scham, Loyalitätskonflikte, mögliche Nähe zu dem Täter. All das und noch mehr können schwerwiegende Folgen für die Betroffenen sein. Es gibt allerdings keine eindeutigen Anzeichen für sexualisierte Gewalt. Die meisten Opfer ändern ihr Verhalten nicht, was es sehr schwer macht, so etwas zu erkennen. Anzeichen können allerdings sein, dass sich das Verhalten ändert oder Andeutungen gemacht werden ode rgar gewisse Situationen und Personen vermieden werden. Wichtig ist, dass wenn sich ein Betroffener öffnet, dass Aussagen, wie ‘warum bist du nicht eher zu mir gekommen/ hast mir nicht eher davon erzählt’ gänzlich vermeiden werden!! Dann damit setzt man das Opfer in die Schuldrolle, denn es hätte ja eher etwas sagen können und ist somit selbst schuld. Auch, wenn dies natürlich nicht so gemeint ist, vermittelt es unterbewusst dieses Gefühl.

Wer ist es? Täterstrategien:

  • Gezielte Suche nach Nähe zu Kindern; Arbeitsfelder und überdurchschnittliches Engagement
  • Suche nach emotional bedürftigen Kindern und Aufbauen eines Vertrauensverhältnisses
  • Grooming – besondere Zuwendung, Aktionen und Unternehmungen eine spezielle Beziehung aufzubauen
  • Austesten der Widerstände
  • Vermeintlich zufällige Gesprächslenkung auf sexuelle Themen sowie Verunsicherung und Berührungen
  • Durch Verunsicherungen, Schuldgefühle und Drohungen Gefügigmachung der Opfer und Sicherung der Verschwiegenheit. Ausnutzung der Loyalität und Abhängigkeit

Wie erkenne ich es?

Oft erkennt man es leider eben überhaupt nicht. Allerdings gibt es ein paar Anzeichen, die daraufhin deuten können:

  • Körperliche Beschwerden
  • Schlafstörungen
  • Selbstverletzung
  • Sprechstörungen / Lernprobleme
  • Rückzugverhalten und/oder Aggressionen
  • antisoziales und unkontrolliertes Verhalten
  • unangemessenes Sexualverhalte
  • Einnässen / Einkoten

Wie verhalte ich mich?

  • Ruhe bewahren: Ich weiß, es würde nicht leicht fallen, aber, wenn sich ein Kind öffnet und so etwas erzählt, braucht es einen Felsen. Gerät man selbst in Panik, versprüht Unsicherheit, kann es passieren, dass sich der/die Betroffene wieder zurückzieht
  • Glauben schenken: GLAUBT EUREN KINDERN! Glaubt nicht dem Sportlehrer, der vorher erzählt hat, eure Tochter hätte sich in ihn verliebt und schon vorher Anspielungen und Anbandelungen versucht und könne daher evtl versuchen, ihm etwas anzuhängen, da er ihre Zuneigung natürlich nicht teilt. Glaubt eurem Kind! IMMER! Schaut euch gerne auch das Video Blick hinter die Maske an.
  • Zuhören: Hört zu. Unterbrecht euer Kind nicht, wenn es gerade erzählt.
  • Richtige Fragen: Stellt offene Fragen – Was? Wer? Wann? Wo? Wie?
  • Wichtige Botschaft: DU HAST KEINE SCHULD!
  • Sucht euch Hilfe: Es ist wichtig, eine Fachperson, zumindest zur Beratung.
  • Dokumentation von Gesprächen, Situation und Fakten mit Uhrzeit und Datum.
  • Fragt nicht nach dem Warum: Das löst Schuldgefühle aus.
  • Kein Druck: Bedrängt die betroffene Person nicht.

 

Ich hoffe natürlich, dass wir niemals in die Situation kommen, in denen wir die oben besprochenen Dinge anwenden müssen. Und dennoch, sollte es passieren, glaubt eurem Kind. Immer!

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